Sep 29 2020

Wohin steuert die Commerzbank?

Seit Monaten diskutiert die Commerzbank über eine radikale Verkleinerung ihres Filialnetzes und massiven Stellenabbau. Gelingt dem Konzern im Dauer-Krisenmodus diesmal der Befreiungsschlag?

Wenn Hans-Jörg Vetter gefragt wird, was bei der Commerzbank zu tun ist, muss er nicht lange überlegen: "Es geht darum, Erträge zu steigern, Kosten zu senken und den Status quo zu hinterfragen", sagte der neue Aufsichtsratsvorsitzende kürzlich im Intranet des Konzerns. Außerdem seien viele althergebrachte Strukturen den heutigen Anforderungen und der Größe der Bank nicht mehr angemessen.
Wirklich neu ist diese Erkenntnis nicht, kriselt doch die zweitgrößte Privatbank Deutschlands schon seit vielen Jahren vor sich hin. Zwar hat das Management immer wieder an verschiedenen Stellschrauben gedreht, um die Lage zu bessern, nachhaltig war die Strategie aber nicht. Vielmehr rutschte die Commerzbank zuletzt immer tiefer in die Krise und fiel im weltweiten Ranking weiter zurück.
Paradigmenwechsel kündigt sich an
Vor genau zwei Jahren musste sie sogar nach 30 Jahren die erste Börsenliga, den Dax, verlassen und in die zweite Reihe (MDax) treten. Seit der Finanzkrise 2007 hat der Aktienkurs der Commerzbank sage und schreibe 97 Prozent an Wert verloren. Das Institut musste sogar teilverstaatlicht werden, um nicht zusammenzubrechen. Doch auch über ein Jahrzehnt nach dem Ende der Finanzkrise steckt die Bank im Krisenmodus. Und noch immer ist der Bund mit einem Anteil von 15,45 Prozent größter Einzelaktionär des Konzerns.
Um den Niedergang endlich zu stoppen, haben die Großaktionäre, allen voran der US-Fonds Cerberus, die Reißleine gezogen und auf einen radikalen Neuanfang gedrungen. Unter dem Druck der Anleger verkündeten Vorstandschef Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann ihren Abgang. Seitdem steht die Commerzbank vor einem Paradigmenwechsel, weg von der klassischen Filialbank hin zu einer weitgehenden Online-Bank.
Nur noch 200 Filialen
Gerüchten zufolge sollen von 1000 Filialen gerade einmal 200 übrig bleiben - im günstigsten Fall. Ein ebenso harter Einschnitt steht der Belegschaft bevor: So könnte die Zahl der zuletzt knapp 40.000 Vollzeitstellen um bis zu ein Viertel gekappt werden. Ein Kahlschlag, den Privatkundenchef Michael Mandel nicht mittragen wollte. Mitten in der Diskussion über den neuen Kurs verkündete er letzte Woche seinen Abgang. "Die neue Strategie ist eine radikale Kehrtwende und geht über alles Bisherige weit hinaus", erklärte er. Dabei habe das Filialnetz in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Teil zum Wachstum der Bank beigetragen.
Doch es hilft alles nichts. Aufsichtsratschef Vetter ist fest entschlossen, die Bank umzukrempeln - auch wenn es weh tut. Dabei betont der 68-Jährige: "Ich bin Schwabe. Uns wird nachgesagt, hart zu arbeiten und sparsam zu sein. Und in meiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender werde ich alles tun, um dieses Klischee zu bedienen."
Noch kein Nachfolger in Sicht
Einen Nachfolger für Zielke hat Vetter allerdings noch nicht gefunden. Dabei ist es eigentlich die Aufgabe des Vorstandschefs zu sagen, wie die Commerzbank effizienter aufgestellt werden kann. Als mögliche interne Kandidaten für den Vorstandsvorsitz wurden in den vergangenen Wochen immer wieder Finanzvorständin Bettina Orlopp sowie der seit Januar amtierende Firmenkundenvorstand Roland Boekhout, ehemals Chef der Direktbank ING-Diba (heute ING Deutschland), genannt.
Vetter hält aber auch auf Drängen von Cerberus nach möglichen externen Kandidaten Ausschau. In Medienberichten wurde jüngst Vetters Nachfolger bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) als möglicher Kandidat für den Vorstandsvorsitz bei der Commerzbank genannt: der ehemalige Deutsche-Bank-Privatkundenchef Rainer Neske.
Zielkes Vertrag läuft spätestens zum Jahresende aus. Bis dahin muss also ein Nachfolger gefunden werden. "Aber Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", sagt Aufsichtsratsmitglied Stefan Wittmann von der Gewerkschaft ver.di. Es könnte also noch ein paar Wochen dauern, bis ein neuer Chef gefunden ist.
Commerzbank in der Zwickmühle
Ob sich dann mit einer schlank wie eine Onlinebank aufgestellten Commerzbank nachhaltig Geld verdienen lässt, bleibt ungewiss. Denn das Frankfurter Geldhaus ist und bleibt eine Art "Bauchladen" mit einem breit gefächerten Angebot ohne dominante Stellung in einem ihrer Geschäftsbereiche - und damit von Trends abhängig, die andere vorgeben.
Dieses Dilemma konnte auch die 2008 verkündete Übernahme der Dresdner Bank nicht beheben: im Gegenteil. Der Kauf des einst zweitgrößten Geldhauses Deutschlands erwies sich als Giftpille. Und der Versuch, sich in die Arme der größten deutschen Bank zu flüchten, um durch die damit erhofften Skaleneffekte Kosten zu senken, ist ebenfalls gescheitert.
Damit steckt die Commerzbank weiter in der Zwickmühle. Denn die beiden größten Hindernisse für eine erfolgreiche Privatbank in Deutschland bleiben auch für ein maximal geschrumpftes Geldhaus bestehen: die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die es den Banken generell schwer macht, Geld zu verdienen, sowie die marktbeherrschende Stellung eines öffentlich-rechtlich geschützten Sparkassen- und Landesbankensektors, der einen fairen Wettbewerb unmöglich macht.
Kommt doch ein Käufer?
Zudem dürfte die Umsetzung des propagierten Sparkurses viele Hundert Millionen Euro kosten, die die Bank zunächst weiter belasten werden. Auch weiß bisher niemand, wie die Commerzbank künftig ihre Einnahmen steigern kann. Angesichts des erbitterten Wettbewerbs und der Nullzinspolitik dürfte dieses Ziel das schwierigste Unterfangen des Instituts bleiben. Damit besteht die Gefahr, dass die Bank weiter in der Abwärtsspirale steckt, aus der sie aus eigener Kraft nicht mehr herauskommt.
Quelle: boerse.ard.de
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/commerzbank-umstrukturierung-stellenabbau-101.html



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