Nov 03 2020

Immobilien, Börsen, Anleihen: Steigende Risiken an Finanzmärkten können wirtschaftliche Erholung gefährden

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 02.11.2020 Die Risiken im Finanzsystem nehmen zu, vor allem auf dem Immobilienmarkt. Ein Einbruch an den Finanzmärkten könnte nicht nur Investoren unter Druck setzen. Die Erholung der gesamten Wirtschaft wäre in Gefahr, wenn Preisblasen platzen und Investitionen und Konsum reduziert werden. Die Finanzaufsichtsbehörden sollten daher Gegenmaßnahmen vorbereiten. Als erster Schritt nach Abklingen der Corona-Krise sollte der Kredit-Anteil beim Kauf von Immobilien stärker begrenzt werden. Investoren müssten dann mehr Eigenkapital beibringen.


 Die Regelung würde den Preisanstieg bremsen und könnte so gestaltet werden, dass Eigenheimnutzer nicht unmittelbar betroffen sind. Begleitet werden sollte diese Verschärfung der Kreditregeln von einer staatlichen Investitionsoffensive, in deren Mittelpunkt der soziale Wohnungsbau steht. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Report zur Finanzmarktstabilität, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung am 02.11.2020 vorlegte.
Die Corona-Krise hat die Wirtschaft schwer getroffen. Allein die frühzeitigen und entschlossenen Reaktionen von Bundesregierung, EU und Europäischer Zentralbank (EZB) haben einen noch stärkeren Einbruch und massenhafte Arbeitslosigkeit verhindert, betonen Dr. Thomas Theobald, Dr. Silke Tober und Ruben Tarne im IMK-Report. Allerdings sind auch die Hilfsmaßnahmen nicht ohne Risiko. Eine lockere Geldpolitik gepaart mit großzügiger Kreditvergabe stützt zwar die Realwirtschaft, an den Finanzmärkten könnte sie die Preise aber so weit treiben, dass es zu gefährlichen Überbewertungen kommt. Einiges deutet darauf hin, dass dies für Wohnimmobilien in Deutschland bereits vor der Krise der Fall war und die dynamische Preis- und Kreditentwicklung weiter anhält. Auch Aktien waren bis Mitte Oktober hoch bewertet. „Zu den bedeutenden Risiken für die Stabilität des deutschen Finanzsystems gehört die Überschätzung von Vermögenswerten und damit auch ihres Wertes als Kreditsicherheit“, schreiben die Ökonomen. Sie zeigen in ihrer Analyse, wo Gefahren an den Finanzmärkten drohen und mit welchen Maßnahmen sich gegensteuern ließe. Nach der Corona-Krise sollten daher die Regeln für die Kreditvergabe von Wohnungsbaudarlehen und für Liquiditätsreserven von Investmentfonds verschärft werden, so die Forscher.
Expansive Geldpolitik richtig, Nebenwirkungen sollten aber gezielt angegangen werden
Seit einigen Jahren sei die Entwicklung der realen Vermögenspreise in allen großen Wirtschaftsräumen „steil aufwärtsgerichtet“, heißt es in der Analyse. Zum Teil sei das auf die Geldpolitik der Zentralbanken der USA, des Euroraums sowie mehrerer anderer Länder zurückzuführen. Als Reaktion auf die geringe Inflation und das verhaltene Wachstum hatten sie ihre Geldpolitik bereits im vergangenen Jahr gelockert, in der Corona-Krise griffen sie zu noch weiter reichenden Maßnahmen. Beispielsweise reagierte die EZB im März auf den sich abzeichnenden Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität, indem sie die Refinanzierungskonditionen für die Banken lockerte und das neue Wertpapierkaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) auflegte. Das Programm ermöglicht es den Zentralbanken des Euroraums, gezielt und in großem Umfang Staatsanleihen zu kaufen. Die Maßnahmen seien an sich richtig, wirkten aber so stark, dass sich die Vermögenspreise nicht nur schnell wieder vom ersten Schock der Corona-Krise erholten, sondern ihre historischen Höchststände inzwischen zum Teil übertroffen haben – wie im Fall von Bauland und Wohnimmobilien in Deutschland.
Deren Preise sind schon seit 2011 kräftig gestiegen, zuletzt mit einer jährlichen Steigerung von 13,1 beziehungsweise 6,6 Prozent. Die Deutsche Bundesbank ging schon 2018 davon aus, dass Wohnimmobilien in Deutschland in städtischen Gebieten zwischen 15 und 30 Prozent überbewertet sind. Auch die IMK-Wissenschaftler sehen „ein deutliches Warnsignal für das Vorhandensein einer Immobilienpreisblase“, weil die Preissteigerungen zum Teil auf Kapitalanlagemotive, insbesondere von Vermögenden, und nicht allein auf die Nachfrage nach Wohnraum zurückzuführen sind. Das Verhältnis der Häuserpreise zu Mieten oder Einkommen deutet ebenfalls auf Überbewertungen hin: Beim Preis-Miet-Verhältnis oder dem Preis-Einkommens-Verhältnis zeigten sich im internationalen Vergleich für Deutschland und China die größten Ausschläge. Eine Ausnahme bildeten lediglich Büroimmobilien, deren Wert seit Ausbruch der Pandemie spürbar gesunken ist.
Weitere Risiken: Höhenflug an der Börse, viele Unternehmensanleihen mit schwacher Bonität
Auch für die Aktienmärkte sehen die Forscher Risiken: Zu Beginn dieses Jahres notierte der Aktienindex CDAX knapp 20 Prozent höher als vor der globalen Finanzkrise 2007. Zwar brachen die Kurse in der Corona-Pandemie zunächst ein, erholten sich dann aber schnell wieder und waren zwischenzeitlich nur wenig von ihren Höchstständen entfernt. Dies sei nur schwer mit den ökonomischen Fundamentaldaten in Einklang zu bringen, erklären die Forscher.
Am Anleihemarkt rentieren Bundesanleihen seit August 2019 zeitweise über das gesamte Laufzeitspektrum hinweg negativ. Die Autoren sehen mit Sorge, dass vor der Pandemie übermäßig viele Unternehmensanleihen mit schlechter Bonität auf den Markt gekommen waren. Auch deutsche Unternehmen finanzieren sich seit einigen Jahren verstärkt über Anleihen und der Anteil von Anleihen mit dem für institutionelle Investoren gerade noch akzeptablen Rating BBB ist mittlerweile auf mehr als 50 Prozent gestiegen. Zudem sind die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen im historischen Vergleich äußerst niedrig. Das deute darauf hin, dass Anleger Risiken unterschätzen, so die Forscher.
Warum ist eine Blase an den Finanzmärkten gefährlich? Wenn sie platzt, also die Preise innerhalb kurzer Zeit fallen, können Vermögenswerte ihren Status als Kreditsicherheit verlieren. Banken schränken die Kreditvergabe ein oder bleiben auf offenen Forderungen sitzen. Investitionen und Konsum gehen zurück. Es kommt zu Ansteckungseffekten, die ihrerseits negativ auf die Konjunktur wirken. Die letzten beiden Rezessionen in Deutschland vor der Corona-Krise – 2000/2001 und 2008/2009 – wurden durch Einbrüche an den Finanzmärkten ausgelöst. Unter den Folgen litten besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.
„Die geldpolitischen Maßnahmen sind im Hinblick auf das Erreichen des Inflationsziels und die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik angebracht“, schreiben die IMK-Forscher. Immer deutlicher werde aber auch, dass eine Fortsetzung dieser Politik nach Überwindung der unmittelbaren Krise mit stärkeren zielgerichteten „makroprudenziellen“ Maßnahmen einhergehen müsse, um schädliche Nebenwirkungen zu verringern. Die Finanzaufsichtsbehörden müssten Vorkehrungen treffen, um Finanzmarktakteure krisenfester zu machen. Im Fokus stehen dabei traditionell die Banken, die mit einem Forderungsvolumen in Höhe von rund 275 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) den größten Teil des deutschen Finanzmarktes darstellen. In den vergangenen Jahren haben aber Investmentfonds und sonstige Finanzinstitute mit einem Forderungsvolumen von rund 80 Prozent des BIP sowie Versicherer und andere Pensionseinrichtungen mit rund 75 Prozent eine zunehmende Bedeutung an den Finanzmärkten erlangt.
Kapital- und Liquiditätsanforderungen, die in der Krise zum Teil gelockert worden waren, müssten mittelfristig wieder verschärft werden, so die Autoren. Vorrangig empfehlen sie aber, das Verhältnis des Fremdkapitalvolumens zum Marktwert einer Immobilie, das sogenannte Loan-To-Value-Verhältnis, stärker zu begrenzen. Beim Kauf müssten insbesondere Investoren dann mehr Eigenkapital aufbringen, was wiederum die Kauflaune und den Anstieg der Häuserpreise dämpfen dürfte. Eigenheimnutzer wären davon nicht direkt betroffen, weil sich eine solche Anforderung spezifisch am Kaufmotiv ausrichten ließe. In anderen EU-Ländern sind solche Instrumente schon eingesetzt worden. Ein solcher Schritt könne zwar die Bautätigkeit als eine der verbliebenen Wachstumsstützen der deutschen Wirtschaft abschwächen. Dennoch erscheine mittelfristig eine stärkere Regulierung unumgänglich, so Theobald, Tober und Tarne. Begleitet werden sollte diese von einer staatlichen Investitionsoffensive, in deren Mittelpunkt der soziale Wohnungsbau steht.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
Quelle: https://www.datev-magazin.de/nachrichten-steuern-recht/wirtschaft/immobilien-boersen-anleihen-steigende-risiken-an-finanzmaerkten-koennen-wirtschaftliche-erholung-gefaehrden-35696

 

Gesetzliche Neuregelungen November 2020: Gesundheits- und Klimaschutz im Blick
Bundesregierung, Pressemitteilung vom 28.10.2020
Bestmöglicher Schutz in Alten- und Pflegeheimen durch Corona-Schnelltests, mehr digitale Angebote im Gesundheitswesen und Reisegutscheine – diese gesetzlichen Neuregelungen treten im November in Kraft. Zudem: Abfallvermeidung, bezahlbare E-Mobilität sowie vereinfachte Investitionen in Energieeinsparungen für den Klimaschutz.
Kampf gegen die Pandemie
Besserer Schutz in Pflegeheimen und Krankenhäusern
Pflegeheime und Krankenhäuser können Antigen-Schnelltests großzügig nutzen, um Personal, Gäste, Kranke sowie Bewohnerinnen und Bewohner regelmäßig auf das Corona-Virus zu testen. Damit trägt die neue Coronavirus-Testverordnung dazu bei, in diesen Einrichtungen auch bei steigenden Infektionszahlen bestmöglichen Schutz zu gewährleisten und sichere Kontakte zu ermöglichen.
Pauschalreisen: Reise-Gutscheine bei Insolvenz des Reiseveranstalters staatlich abgesichert
Wenn Pauschalreisen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt wurden, können Reiseunternehmen auf freiwilliger Basis Gutscheine anbieten – anstelle der sofortigen Rückzahlung des Reisepreises. Der Reise-Gutschein ist gegen eine Insolvenz des Reiseunternehmens ergänzend staatlich abgesichert.
Gesundheit
Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen
Mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz werden ab 2021 digitale Angebote wie die elektronische Patientenakte oder das E-Rezept nutzbar. Gleichzeitig werden sensible Gesundheitsdaten geschützt. Neben Befunden, Arztberichten oder Röntgenbildern lassen sich ab dem Jahr 2022 auch der Impfausweis, der Mutterpass, das gelbe Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft in der elektronischen Patientenakte speichern.
Investitionsprogramm für Krankenhäuser
Das Krankenhauszukunftsgesetz sorgt für schnelle und zielgerichtete Investitionen in die Digitalisierung und in eine moderne technische Ausstattung der Krankenhäuser. Außerdem sieht es für 2020 die Verlängerung des Kinderkrankengeldanspruchs um fünf Tage je Elternteil vor. Eine Sonderzulage für Pflegekräfte in Krankenhäusern, die durch die Corona-Pandemie besonders gefordert waren, ist nun ebenfalls möglich.
Neue Regelungen für Intensivpflege und medizinische Rehabilitation
Intensiv-Pflegebedürftige besser versorgen, Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigen und die Selbstbestimmung der Betroffenen stärken. Darauf zielt das “Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung”.
Umwelt – Klima – Energie
Abfälle vermeiden – Ressourcen nachhaltig nutzen
Abfall soll weitestgehend vermieden und stattdessen mehr recycelt werden. Herstellerfirmen von Einwegprodukten werden stärker in die Pflicht genommen. Mit diesen Regelungen wird die EU-Abfallrichtlinie umgesetzt.
Änderung der Kfz-Steuer – Klimafreundliche, bezahlbare Mobilität
Die Kfz-Steuer orientiert sich nun stärker am Schadstoff-Ausstoß der Fahrzeuge. Je nach Höhe der Emissionen steigt sie stufenweise an. Steuerlich entlastet werden dagegen die Besitzer reiner E-Autos. Die Bundesregierung setzt damit ein klares Signal für klimafreundliche und bezahlbare Mobilität.
Ein weiterer Baustein der Energiewende: Das Gebäudeenergiegesetz
Ölheizkessel dürfen ab 2026 grundsätzlich nicht mehr eingebaut werden. Als Anreiz zum Austausch alter Ölheizungen durch ein klimafreundliches Modell lockt eine Prämie. Um auch grundsätzlich den Primärenergiebedarf von Gebäuden zu senken, werden Investitionen in Energieeinsparungen vereinfacht.
Quelle: Bundesregierung
Quelle: https://www.datev-magazin.de/nachrichten-steuern-recht/recht/gesetzliche-neuregelungen-november-2020-gesundheits-und-klimaschutz-im-blick-35619



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